Ein Interview zu nachhaltigen Anlagestrategien
Zuallererst: Ich bin keine ausgebildete, zertifizierte oder erfahrende Finanzexpertin, sondern schlichtweg neugierig und wissbegierig. Mit diesem Beitrag möchte ich einfach von meinem Standpunkt aus das wenige mögliche versuchen, einem solch komplexen Thema näher zu kommen und dieses Wissen (ohne dafür entlohnt zu werden) zu teilen. Aufhänger dieses Beitrages ist die Veranstaltung der Arbeitskammer des Saarlandes zum Thema „Mein Geld sozial und nachhaltig anlegen. Geht das, und wenn ja, wie?“, die ich Ende September 2019 besucht habe.
Um dem ganzen Thema etwas Fundament zu geben, habe ich Ekkehart Schmidt, einer der Referenten des Themenabends, für ein Interview angefragt. Erfreulicherweise hat er sich die Zeit genommen, mir ein paar Fragen (kursiv) zu beantworten (grün gefärbt – na klar!).
Nachhaltig und sozial Geld verwalten und anlegen. Geht das? Unter welchen Voraussetzungen?
E. Schmidt: Das geht! Denn es gibt mittlerweile eine große Vielfalt an Angeboten von ethisch-orientierten Banken wie die GLS Bank, Triodos, Ethikbank oder Umweltbank. Diese Banken bieten natürlich Giro- und Sparkonten, teilweise auch Fonds, die meines Wissens auch nicht einfach greenwashing sind, sondern tatsächlich ernstzunehmend sozial-ökologische Investments tätigen.
Alternativ kann man auch direkt in sozial-ökologische Unternehmen aus Branchen wie etwa dem Bio-Einzelhandel, der Windkrafttechnologie oder der Solarenergie investieren. Wobei ich darauf hinweise, dass auch bei solchen Firmen nicht immer grün drin ist, wo grün drauf steht. Stichwort CO2-Ausstoß bei der Produktion von Windkraftanlagen oder ähnliches.
Die Auswahl von grünen Fonds ist nicht ganz einfach, daher empfehle ich die Bewertung von Ratings oder Siegel wie etwa das FNG-Siegel oder
ÖkoTest zu Rate zu ziehen und darauf zu achten, wer diese Ratings erstellt. Sonst landet man zum Beispiel bei einem Fonds, der zwar in Wasserenergie investiert, bei dem beim Bau der Staudämme aber unter Umständen aber Flächen benötigt wurden, die zuvor von der indigenen Bevölkerung bewirtschaftet wurden und das ist dann ethisch-moralisch auch wieder schwierig.
Helfen laut E. Schmidt bei der Suche nach grünen Fonds:
Das FNG-Siegel und die Untersuchungen der Zeitschrift Öko-Test.
Die Sache mit der Rendite
Eine Botschaft, die ich auf der Veranstaltung aufgeschnappt habe, war, dass Renditen bei „grünen“ Anlagestrategien nicht so hoch ausfallen wie bei konventionellen. Woran liegt das?
E. Schmidt: Wichtig ist bei allen Formen des Investierens der Faktor Zeit und die eigene Risikobereitschaft. Sicher kann man bei konventionellen Anlagemodellen kurzfristig bessere Renditen erzielen. Wer einen etwas längeren Atem hat (gemeint sind hier fünf bis zehn Jahre), der kann mittlerweile auch mit „grünen“ Produkten gleichwertige Ergebnisse erzielen. Der schlechte Ruf von nachhaltig-orientieren Fonds ist aber meines Erachtens überholt. Außerdem gilt es, zwischen der „bloßen“ finanziellen Rendite und der „Glücklichkeitsrendite“ zu unterscheiden, also der sozialen und ökologischen Rendite. Diese Rechnung machen die wenigsten.
Über Geld redet man nicht – oder doch?
Die Veranstaltung war eher mäßig besucht. Wobei die Moderatorin eingangs erwähnte, dass eine Vorgängerveranstaltung noch weniger Interessten angelockt hatte. Anders herum: Das Interesse am Thema ist gestiegen, kann man das so sagen?
E. Schmidt: Ich war bei der Vorgängerveranstaltung dabei, da waren vielleicht 25 bis 30 Leute anwesend. Dieses Mal kamen rund 40 Personen, was ich für ein solch komplexes Thema nicht schlecht finde. Generell ist das Thema Finanzen eben etwas, womit sich die wenigsten gerne von sich aus beschäftigen. Ich vergleiche das gerne mit dem Thema Bio-Lebensmittel oder grüner Strom. Noch vor 15 Jahren gab es in der breiten Bevölkerung kaum ein Bewusstsein dafür, dass das ein ernstes Thema ist, bei dem jede/r etwas tun und bewirken kann. Heute sieht die Welt schon anders aus. Vielleicht entwickelt es sich beim Thema Finanzen ähnlich. Jeder hat das Recht, bei seiner Bank nachzufragen, was mit dem Geld passiert, welches dort geparkt ist und für die nötige Transparenz zu kämpfen.
Es gibt einfach kaum Bewusstsein dafür, was „dahinter“ steckt. Der Strom kommt eben aus der Steckdose. Das Geld aus dem Automaten.
Ekkehart Schmidt
Nochmal zurück zu den alternativen Kreditinstituten wie Tomorrow, Triodos oder GLS Bank. Haben die überhaupt eine Chance am Markt?
E. Schmidt: Klar, die Kontomodelle bei solchen Kreditinstituten bringen eine gewisse Gebührenstruktur mit sich. Da ist es auch wieder ähnlich wie bei den Bio-Lebensmitteln. Die Produkte beim Disounter sind nur auf den ersten Blick günstiger, weil die externen Kosten nicht mit bepreist werden. Gleiches Prinzip bei den Bankprodukten: Mein Geld liegt ja nicht dort im Tresor, sondern ist eine virtuelle Zahl auf einem Display, zirkuliert also digital über das Internet und richtet möglicherweise irgendwo auf der Welt etwas an, womit ich aufgrund meiner moralischen Einstellung nicht einverstanden bin. Es gibt hier keine Instanz, die sich für Transparenz und Aufklärung bemüht. Die angesprochenen Banken gehen da andes vor. Die GLS Bank informiert zum Beispiel im Jahresbericht in einer Aufstellung, welche Bauernhöfe und Unternehmen in der Region mit dem Geld der Kunden unterstützt wurden.
Generell haben aber Organisationen und Vereine, die sich für das Thema stark machen, keine Lobby. Daher wünsche ich mir statt „Fingerpointing“ eigentlich mehr Unterstützung für eben diese Fürsprecher für das Gute, um in der Öffentlichkeit mehr Gehör zu finden.
Mikrokredite – eine echte Alternative?
Zum ersten Mal gehört habe ich bei der Veranstaltung von sogenannten Mikrokrediten. Können Sie erklären, welches Konzept hinter dieser oft von kirchlichen Trägern angebotenen Alterantive steht?
E. Schmidt: Es gibt Institutionen, die Mikrokredite vergeben und man erwirbt dann quasi einen Anteil von dem, was da investiert wird. Man wird aber nicht Teilhaber von dem Unternehmen, dass den Kredit in Anspruch nimmt. Ein Beispiel ist der Ökokredit, bei dem viele hundert Millionen Euro in Vermittlerinstitutionen aus Schwellenländern investiert werden. Das Geld hilft dann quasi über das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“, Armut zu bekämpfen und das auf einer andere Weise als eine Spende für Notfälle oder Katastrophen. Auch hier gilt natürlich das Prinzip der Vorsicht: Bevor Geld investiert wird, sollte man prüfen, ob eine seriöse Vermittlung dahinter steht. Mikrofinanzierung ist nicht per se sozial-positiv, aber in den richtigen Händen auf jeden Fall besser aufgehoben als auf dem Girokonto. Im Idealfall profitiert man von ca. zwei bis vier Prozent Zinsen pro Jahr – was bei den aktuellen Sparzinsen eben auch schon ein deutlicher Gewinn bedeuten kann. Natürlich wieder unter einer gewissen Risikobetrachtung, denn wirtschaftliche, soziale oder politische Krisen machen auch vor Mikrokrediten nicht Halt.
Über Ekkehart Schmidt
Der studierte Volkswirt hat Mitte der 1990er Jahre in Bonn mit einigen Freunden erste Anstrengungen unternommen, nachhaltige Fondsstrategien zu entwickeln. Gemeinsam hat die Gruppe pro Monat einiges an Geld gezielt in grün-orientierte Fonds investiert und dabei aufgrund schlechter Renditen schmerzliche Verluste eingefahren. Aus den Fehlern hat Ekkehart Schmidt gelernt und wendet sein Wissen heute beim Verein etika in Luxemburg an. In Zusammenarbeit mit der Banque et Caisse d’Epargne de l’Etat Luxembourg (BCEE) – umgangssprachlich würde man sagen die „luxemburgische Sparkasse“ – bietet etika ein alternatives Sparkonto an mit umfassenster Transparenz für den (luxemburgischen) Kunden.
Lieber Herr Schmidt, vielen Dank für das freundliche Gespräch!