Das erste Jahr „zurück im Saarland“ ist vorbei. Und ich besitze immer noch kein eigenes Auto. Entgegen der allseits verbreiteten Meinung, komme ich trotz Provinz und regional eingeschränktem ÖPNV-Angebot ganz gut klar mit den Mobilitätsangeboten, die ich zur Verfügung habe.
Flexibilität ist das A und O
Mir ist bewusst, dass ich in einer etwas „luxuriöseren“ Situation bin als viele, die diesen Beitrag jetzt eventuell lesen und sagen würden „Ich würde ja gerne, aber…“. Denn:
- ist mein täglicher Arbeitsweg (für den die meisten ein privates PKW benötige) gut mit dem ÖPNV zu meistern
- habe ich keine Kinder oder sonstige familiäre Verpflichtungen, die ein flexibleres von A nach B kommen ab und zu erforderlich machen
- bin ich daran gewöhnt, kein Auto im Hof stehen zu haben.
All diese Punkte sind für viele Ausschlusskriterien für den Umstieg auf „autofrei“ und das kann ich auch gut verstehen. Denn sie schränken die eigene Flexibilität ein. Wenn der Weg zur Arbeit mit dem Auto nur 15 Minuten dauert statt mit ÖPNV 45 Minuten inkl. 15 Minuten Gehweg womöglich in abgelegenere Orte wie Industriegebiete, ist die Entscheidung schnell getroffen. Viele brauchen das Auto auch, weil sie z.B. viel im Außendienst unterwegs sind.
Provinzbushaltestellenverschmutzungsbeauftragte
Das alles ist bei mir nicht der Fall. Die Bushaltestelle ist genau vor der Tür. Dort kommt zu einer annehmbaren Uhrzeit ein Bus, der mich zum Bahnhof oder zum Stadtbad bringt, wo von aus ich (je nach Witterung) in den Regionalzug oder in den Schnellbus einsteige. Ich genieße die Zeit, die ich unterwegs bin sehr, denn hier kann ich lesen, auf’m Handy datteln, meinen Kaffee (auf dem Heimweg auch mal ein Bierchen) schlürfen, Podcasts oder Musik hören, andere Leute beobachten oder einfach noch etwas die Augen zumachen. Klingt verlockend oder? 😉
"Wireless LAN lohnt sich nicht
Bei Technik Funke brennt noch ein Licht
Die Natur holt sich die Gärten zurück
Die Straßen und die Dörfer
An der Bushalte sitzen Rocko
Und Riko und spielen Stadt, Land, Flucht
Ihre Zukunft hängt hier tot überm Zaun
Bald werden auch sie abhauen"
aus: Niemand will den Hund begraben - Muff Potter
Natürlich hat das ganze auch seine Schattenseite. Nicht nur sind dreckige Haltestellen oder verlassene Bahnhöfe Anlass für Ekel und Sorge, auch andere Mitreisende können dir je nach Stimmung ganz schön selbige zusätzlich versauen. Doch geht das euch Autofahrern mit den Verkehrsteilnehmern nicht ähnlich?
Meine Startbushaltestelle ist zum Beispiel schon seit ich dort jeden Morgen einsteige (vermutlich auch schon davor) grob verschmutzt. Und das scheint auch niemanden zu kümmern. Denn es gibt extra Hinweisschilder, die darüber informieren, dass man sich melden kann, wenn etwas mit der Stelle nicht in Ordnung ist. Diesem Aufruf bin ich aus Spaß an der Freude und weil ich neugierig war, ob ich was erreichen kann, gefolgt. Passiert ist: nichts. Danke liebe Völklinger Verkehrsbetriebe.
Zukunft des ÖPNV im Saarland
Wir brauchen im Saarland mindestens 30 Millionen Euro mehr im System, um den ÖPNV fit für die Zukunft zu machen. Darauf haben sich die Mitglieder des Runden Tisches ÖPNV am Donnerstagabend in ihrer ersten Sitzung verständigt. 10Millionen für eine bessere Personalausstattung, 10 Millionen für das neue Tarifsystem im Saarland und mindestens 10Millionen für den Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur
Pressemitteilung der Arbeitskammer des Saarlandes vom 30.09.2019
Beim Thema „fit für die Zukunft machen“ nehme ich in den letzten Monaten viel Bewegung wahr. Nicht nur die oben zitierte Pressemitteilung von der Arbeitskammer des Saarlandes zum ersten Treffen des sogenannten Runden Tisches ÖPNV lässt hoffen. Organisiert wurde dieser von der ver.di in Kooperation mit der Arbeitskammer des Saarlandes. Mit dabei: der Deutsche Gewerkschaftsbund, Vertreter der Landes- und Kommunalpolitik, kommunale Verkehrsbetriebe, Fridays for Future, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), der Verkehrsclub Deutschland (VCD), die Plattform Mobilität, der BUND sowie der Zweckverband Personennahverkehr.
Schon fünf Monate später (Achtung, das war Ironie) lud die Verkehrsministerin des Saarlandes zu einem Bürgerdialog ein. Informiert man sich dazu auf den Seiten des Landes, sieht man: da steckt viel Arbeit drin und die wird nicht von heute auf morgen zu bewältigen sein. Dennoch: Da ist was in der Mache und das stimmt mich hoffnungsvoll.