Seitdem ich vegan lebe, kommen neben der Ernährung immer wieder neue Themen aus dem Kontext „Umweltbewusstsein“ dazu. Über den Podcast „1,5 Grad“ sowie einen Workshop zur Rolle der Hoffnung in der Klimabewegung arbeite ich mich immer tiefer ein und merke, wie es mich zunehmend politisiert.
Der Keltenring in Otzenhausen. Eine 2.000 Jahre alte Festungsanlage im Norden des Saarlands.
Der Mai 2021 war vielen in meinem sozialen Umfeld zu kalt, zu nass. Nur einer war es ganz recht: Mutter Natur. Das haben zumindest die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig festgestellt.
Auf der einen Seite verstehe ich, wenn es Einzelnen zu wenig sonnig ist/war. Doch auf der anderen Seite ist das so eine krass kurzfristige Sichtweise. Diese kurzfristige Sichtweise könnte uns im Zusammenhang mit dem Klimawandel im wahrsten Sinne des Wortes das Leben kosten. Mit „uns“ meine ich damit in den nächsten Jahren erstmal Menschen weit weg von Europa, in den nachfolgenden Generationen aber vielleicht auch dich, wenn du alt und gebrechlich bist und der Hitze, die du erleben wirst, nicht mehr erträgst oder Waldbrände, wie wir sie aus Californien und Australien kennen, auch in Europa zum Normalfall werden.
Ambivalenz kostet Zeit und Energie
Im Mai 2021 habe ich (an einem dieser furchtbar nassen und kalten Freitagnachmittag) an einem Onlineworkshop mit dem Titel „Die Hoffnung stirbt zuletzt – Welche Rolle spielt Hoffnung für die Klimabewegung?“ organisiert vom Kipppunkt Kollektiv teilgenommen. Das eine Wort, dass ich mir initial notierte und in den vier Stunden des Workshops vielfacht umkreiselt und doppelt, ja dreifach fette war: Ambivalenz. Die zwei Seiten einer Medaille. Die Zerissenheit zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Die Aktivisten und die Leugner. Während wir uns in der Theorie mit verschiedenen Formen von Hoffnung beschäftigten, in Kleingruppen über die verschiedenen Ausprägungen in der Klimabewegung diskutierten und schließlich eine Reihe positiver Handlungsimpulse zusammentrugen, kam ich immer wieder auf den Gedanken zurück, wie krass diese Ambivalenz uns Menschen hemmt. Sie kostet Energie und Kraft.
So oder so ähnlich beschreibt auch Luise Neubauer in ihrem Podcast „1,5 Grad“ in der Folge mit Carola Rackete den Moment, wo man ins Tun kommt und etwas realisiert:
Weil erst in dem Augenblick (wo man sich engagiert) auffällt, wie wahnsinnig anstrengend es ist, die großen Krisen der Zeit zu verleugnen und zu rechtfertig, dass man nichts tut. Das Verleugnen von der Zerstörungswelle, in der wir uns befinden, das kostet richtig viel Energie.
Luisa Neubauer in ihrem Podcast 1,5 Grad
Was tun. Ja. Was?
Schüler:innen und Student:innen treten seit März 2019 Woche für Woche bei Fridays for Future für das sogenannte 1,5-Grad-Ziel der Vereinten Nationen ein. Aktivist:innen im Dannenröder Forst versuch(t)en ebendiesen zu retten.
Und ich? Schreibe Texte wie diesen hier oder diese, informiere mich, besuche Workshops, höre Podcasts und versuche, bei den wenigen gemeinsamen Familientreffen bei Tisch mit der veganen Ernährung und den vielen Gedanken dazu in meinem Kopf immer nur ein klein bisschen zu stören. Ein klein bisschen, weil ich merke, dass ich immer wieder an Grenzen komme. An Grenzen des Vorstellbaren, an Grenzen der eigenen Willensstärke. Weiterhin in diese Grenzen zu verweilen ist möglich, aber nicht um jeden Preis.
Die ökologische Krise wird Konsequenzen haben. Ich kann entweder diese Konsequenzen in Kauf nehmen oder ich kann jetzt was dagegen tun. Auch meinetwegen indem ich mal ein Baufahrzeug hier besetze oder einen Harvester oder eben im Baumhaus mich räumen lasse. Das wird auch Konsequenzen haben, aber das andere – nichts zu tun – hat noch viel viel viel krassere Konsequenzen.
Carola Rackete im Podcast „1,5 Grad“ von und mit Luise Neubauer
Dass sich Bedingungen und Menschen verändern können, wenn nur der Druck groß genug ist, haben wir alle seit Ausbruch der Corona-Epidemie am eigenen Leib erfahren. Aber Veränderungen machen auch vielen Angst, und dieser Angst begegnen viele dann mit Verleugnen und der „wird schon werden“-Haltung. Doch damit ist laut Stefan Rahmstorf bald Schluss.
Die moderne Industriegesellschaft lebt in einer großen Illusion der Unverwundbarkeit. Die wird jetzt vielleicht durch die Coronakrise ein bisschen erschüttert, wo wir eben tatsächlich merken,wir sind nicht einfach unverwundbar und uns kann garnichts passieren.
Stefan Rahmstorf im Podcast „1,5 Grad“ von und mit Luise Neubauer
The Times They Are a-Changin’
Und doch gibt es sie dann, die Momente der Hoffnung. Denn ebenfalls im Mai 2021 ist zum erstmals folgendes passiert: Ein gemeinsames Familientreffen bei Tisch war ohne mein aktives Zutun an der veganen Ernährungsweise orientiert. Sechs Personen aßen einen Tag lang vegane Geburtstagkuchen und zum Abendessen einen veganen Eintopf, dazu Bier – das ja glücklicherweise auch vegan ist.
Alles neu macht der Mai, könnte man abschließend für’s Phrasenschwein noch platzieren. Aber eins macht der Mai auch: Hoffnung. Ich freue mich, wenn es in Zukunft mehr davon geben kann. Machst du mit?